DJ Coreys Musiktipps
für den März

Sam Vance-Law, Eddy de Pretto, Calum Scott, Fisherspoon, Brandi Carlile, Lauren Ruth Ward, Tracey Thorne

Kammerpop und Rap-Chansons aus dezidiert schwuler Perspektive: Die Debüt-Alben von Sam Vance-Law und Eddy de Pretto. «Britain’s Got Talent»-Star Calum Scott ist der neue junge Meister des gefühlvollen und hochwertigen Erwachsenenpop. Hochgradig homoerotisch aufgeladen: Die Electroclash-Pioniere von Fischerspooner machen sich für sexuelle Befreiung stark. Heilung durch Vergebung: Folk-Rock-Sängerin Brandi Carlile kehrt zur alten Form zurück. Ex-Coiffeuse entwickelt sich zur Powerfrau mit kratziger Stimme: LPs Verlobte Lauren Ruth Ward. Endlich mal ein willkommenes Comeback: Tracey Thorn strahlt auf «Record» eine Zuversicht und Gelassenheit aus, von der gewisse Menschen in der Lebensmitte nur träumen können.


SAM VANCE-LAW

Homotopia (Caroline International/Universal)

In der kanadischen Provinz, wo er aufwuchs und ein Literaturstudium absolvierte, wurden Schwule beschimpft und verprügelt. In seiner Wahlheimat Berlin fand Sam Vance-Law seinen «geheimen Garten», wo er als schwuler Mann glücklich und zufrieden leben kann. Auf «Homotopia» schildert der Singersongwriter seine positive Vorstellung von einer schwulen Idealwelt, absolut frei von Homophobie. Sein feiner Kammerpop hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass er in seiner Jugend nur klassische Musik hörte, im Kirchenchor sang und selbst Geige spielte. Erst später entdeckte der Dandy mit der zarten Baritonstimme The Magnetic Fields, John Grant und The Hidden Cameras, deren Einfluss auf «Homotopia» praktisch unüberhörbar ist.


EDDY DE PRETTO

Cure (Initial Artist Services)

Auf der EP «Kid», die ihm dieses Jahr eine Nominierung als bester Newcomer bei den französischen Grammy «Les Victoires» einbrachte, sprach der 26-Jährige offen Themen an, die seinen Alltag präg(t)en: Ausschweifungen, Sexualität, Männlichkeit, Digitalisierung und klassische Macho-Klischees. Auch auf seinem Debüt «Cure» überzeugt Eddy de Pretto mit entwaffnender Ehrlichkeit. Er will sich immer noch nicht auf ein bestimmtes Genre festlegen lassen. Vielleicht mag das daran liegen, dass er seine Musik aus zwei diametral gegensätzlichen Zutaten schöpft. Klassische Chansons im Stil von Jacques Brel, und Edith Piaf auf der einen, Hip-Hop und R&B im Stil von Frank Ocean und Booba auf der anderen Seite.


CALUM SCOTT

Only Human (Capitol Records)

Allen Fans von Sam Smith wird das Debütalbum des britischen Sängers Calum Scott wärmstens ans Herz gelegt. Der offen schwule Popsänger wurde 2015 durch seine Teilnehme an Britain’s Got Talent bekannt. Mit seinem Cover von «Dancing On My Own», einem Dance-Hit für die schwedische Pop-Sängerin Robyn, den er in eine intime und reduzierte Ballade verpackte, zog er Publikum und Jury in seinen Bann. Mit der melancholischen Pianoballade «You Are The Reason» und weiteren Songs aus seinem lang ersehnten Debüt-Album zeigt sich Calum Scott wiederum als Meister des gefühlvollen und hochwertigen Erwachsenenpop. Die Produktion von «Only Human» übernahm zu weiten Teilen der pop-affine Fraser T Smith (Adele, Sam Smith).


FISCHERSPOONER

Sir (Ultra Records, LLC)

Das Duo Fischerspooner mit dem extrovertierten Casey Spooner als Frontmann und dem eher im Hintergrund agierenden  Warren Fischer führte die Electroclash-Bewegung an, die vor ungefähr 20 Jahren die europäischen schwulen Metropolen und New York für kurze Zeit im Sturm eroberte. Auf «SIR» stellt Casey Spooner seine Homosexualität ostentativ zur Schau. Er lehnt sich explizit an die schwule Subkultur der 70er-Jahre mit ihren ausschweifenden Party-Nächten voll Sex und Drogen an. Für «SIR» wurden als Co-Produzenten und Co-Songwriter R.E.M.-Frontmann Michael Stipe, Caseys Spooner erster Freund (!) sowie Beyoncé-Produzent Boots angeheuert. Dank ihnen ergänzen Fischespooner die glamouröse Seite ihres Electroclash mit Stil, Dance-Hymnen und Roboter-Balladen.


BRANDI CARLILE

By The Way, I Forgive You (Elektra Records)

Auf ihrem sechsten Album schliesst sich die lesbische Songwriterin Brandi Carlile mit Co-Produzenten Shooter Jennings and Dave Cobb für ein bemerkenswertes Stück Americana mit grossem Pop-Appeal zusammen. «By the Way, I Forgive You» verknüpft Roots-Rock, Folk und tolle Orchesterarrangements von Altmeister Paul Buckmaster miteinander, der kurz nach den Aufnahmen verstarb und dem das Album gewidmet ist. Auf der ganzen Albumlänge schmettert Brandi Carlie mit kräftiger und klangvoller Stimme ihre Botschaften für mehr Empathie, Vergebung und Dankbarkeit. Mit «By The Way, I Forgive You» ist Brandi Carlile ein wirklich grosses Album gelungen.


LAUREN RUTH WARD

Well Hell (Weekday Records/Sony)

Bis 2015 fristete Lauren Ruth Ward ein konventionelles Dasein als Besitzerin eines Friseursalons in Baltimore, Maryland, mit einem lieben Mann und vielen Freunden an ihrer Seite. Ihr Wunsch, ihr Musik-Hobby zum Beruf zu machen, führte sie nach Los Angeles, wo sie eine Band gründete und die Frauenliebe entdeckte. Auf ihrem Erstling «Well Hell» präsentiert die Amerikanerin mit der heiseren Vibrato-Stimme die vielen Facetten ihres Könnens. Ihre Musik ist vielfältig und reicht von verträumt («Did I Offend You»), rockig («Blue Collar Sex Kitten»), folkig («Travel Man») bis poppig («Sideways»). «Sheet Stains» ist eine bluesige Ode an ihre Verlobte, die Sängerin LP, die auf dem Song gleich den Backgroundgesang übernahm.


TRACEY THORN

Record (Caroline International)

Die Ex-Sängerin von Everything But The Girl legt auf ihrem vierten Solo-Album «Record» den Fokus auf die Lebensfreude und die Gelassenheit einer Frau über 50, die mit Zuversicht in die Zukunft blickt. In allen neuen Songs bringt die Britin eine explizit weibliche Sichtweise auf die Welt und die verschiedenen Lebensphasen ein. Sie singt über Frauen, deren Kinder aus der Wohnung ziehen («Go») oder ihre Ex-Männer in den sozialen Medien stalken («Face») oder sich wieder einmal nach einer Party auf der Tanzfläche sehnen («Dancefloor»). Es geht auch um weibliche Solidarität und Selbstbehauptung («Sister»). DJ und Produzent Ewan Pearson hüllt die neun feministischen Kracher in ein glitzerndes Gewand aus Electro-Pop und Piano-Balladen.



Die Musiktipps von DJ Corey immer am 1. Sonntag im Monat im GayRadio auf Radio RaBe
https://queerup.ch/gayradio 

 

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